Gedanken meines Produzenten Jens Lück zu „Wooden Houses“

23. August 2011   -   0 comments
Die Entstehung von „Wooden Houses“ Wooden Houses war ein richtiges „Wunschkind“ und es hat einen solchen Spaß gemacht, das Album entstehen zu lassen, dass ich danach in ein richtiges Loch gefallen bin. Im Vorfeld hatten Isgaard und ich viel über die Richtung diskutiert und kamen zu dem Ergebnis, einfach zu machen, was WIR wollen. Isgaard war vor allem wichtig, ihre tieferen Stimmfarben zu integrieren, damit tat ich mich anfangs ein wenig schwer, allerdings war ich schnell begeistert und habe genau mit diesem Focus Songs wie „Wooden Houses“ und „Gone with the Ice-wind“ geschrieben. Für mich war wichtig, dass das Album ein paar „Experimente“ enthält und auf der perkussiven Seite möglichst wenig „gängiges“ Schlagzeug enthält. Ich wollte mehr „Raum“, mehr „Atmosphäre“. Das ist am besten in Songs wie „Refugees“ oder „You“ zu hören, die – ebenso wie „Wasteland“ stark von Peter Gabriel´s letztem Album („UP“) beeinflusst sind. Hier nun ein paar Worte zu den einzelnen Songs (in der Reihenfolge, in der sie entstanden sind, soweit ich das noch zusammenkriege). Send Me an Angel: Der Song ist der älteste des Albums; im Jahr 2005 entstanden und deshalb der konservativste der CD. Nur das Ende („Stimmengewirr“) kam im Zuge der Ende 2007/Anfang 2008 dazu. So here I am Once More: Die Basisversion dieses Stückes hatten wir bereits als Intro bei einigen Konzerten 2005/2006 eingesetzt. Was mir den gößten Spaß gemacht hat, waren die Streicheraufnahmen: Wenn die synthetischen Sounds (die für`s Komponieren benutzt werden) nach und nach durch echte Instrumente ersetzt werden, entsteht eine absolute Magie, die mich immer auf`s Neue fasziniert. Ein weiterer interessanter Punkt ist die Aufnahme von Isgaard`s klassischem Gesang: Sie hat eine absolut genaue Vorstellung davon, wie es klingen soll und die Aufnahmetechnik ist völlig konträr zu der, die wir bei anderen Gesangspassagen einsetzen. Oft wird`s dann „hitzig“(denn wir sind uns nicht einig) aber wir wissen genau: Erst wenn wir es beide klasse finden, sind wir am Ziel! More than This: Der Song ist im 3er-Takt und es hat eine Menge Spaß gemacht, die Metrik mit unkonventionellen Rhythmen zu umspielen, so hat sich ein ganz eigener „Fluss“ entwickelt. Wasteland: Das Stück entstand teilweise im Auto (ich bin leider viel unterwegs) und entwickelte ein Eigenleben, als ich anfing, mit einer alten, leicht defekten Violine (von meiner Großmutter geerbt) zu experimentieren. Dabei entstanden die „kratzigen“, „schabenden“ Sounds, die sich durch das ganze Stück ziehen. Ein kleiner Balance-Akt war dann das integrieren der Ethno-Percussion, die warm, aber sehr dazent sein sollte. Als Isgaard das Playback hörte (mit dummy-Text), sagte sie sofort: Da ziehen karge Landschaften vorbei…der Song muss „Wasteland“ heißen. Wir änderten die Gesangslinien noch ein wenig und der Rest ging schnell. Gone with the Ice-Wind: Ausgangspunkt zu diesem Stück war ein sehr trauriges Ereignis: Ein uns beiden nahestehender Mensch erlitt einen Schlaganfall und einige Tage lang war es unklar, ob er überhaupt überlebt…Viele Gedanken tauchten auf, unter anderem auch folgendes Bild: Irgendwelche unsichtbare Wesen rufen die Seele eines Menschen und nehmen sie (oder einen Teil) mit sich und zurück bleibt eine scheinbar (fast) leere Hülle. Man kann keinen Kontakt mehr aufnehmen und man fragt sich: WO BIST DU? TREFFE Ich DICH JE WIEDER? Der Harfen-ähnliche Sound im Intro des Songs ist für mich der musikalische Ausdruck der „vorbeiziehenden Wesen, die die Seele mit sich nehmen“, die traurige Violinenmelodie am Ende ist Sinnbild für den nicht vollzogenen Abschied (Danke für die ausdrucksstarke Darbietung nochmal an Rodrigo Reichel ). The Queen: „The Queen“ entstand für den Film Island 63°-66°N (der Text ist ein isländisches Traditional). The Sky is Wide Open: Zuerst entstanden der schwere Grundbeat des Songs und die Textidee. Dann entwickelte sich ein Eigenleben und es kristallisierte sich der lange Steigerungsverlauf heraus. Spannend war, dass ich Isgaard zum ersten Mal überreden konnte, sich auch an „ETHNO-GESÄNGEN“ zu versuchen! Gänsehaut bekam ich beim Aufnehmen der hohen Gesangsstellen zwischen 2.Refrain und Gitarrensolo, die aus einer Improvisation von Isgaard entstanden sind. Für mich war und ist das eine der schönsten und positivsten Passagen, die Isgaard jemals gesungen hat. Auch die Aufnahme des Gitarrensolos (Jan Petersen) war ein „Highlight“, denn Jan und ich, wir sind beide große Pink-Floyd-Fans und sehr auf einer Wellenlänge. Living on Mars: Eigentlich ist das der zweite Song der jemals aus der Zusammenarbeit von Isgaard und mir enstanden ist (Februar 2000). Die Ur-Fassung ist eine komplett instrumentierte Pop-Version, die uns aber heute absolut nicht mehr ins Isgaard-Bild passen würde. Da wir aber an dem Stück und dem Text mit seinem naiv-entrückten Flüchten eines verrückt-gewordenen aus dieser Welt hingen entstand die Idee einer ganz spartanischen Version. Nachdem Isgaard auf den ersten Entwurf gesungen hatte, dünnte ich das Piano immer weiter aus, bis ich das Gefühl hatte, dass es keinen einzigen Ton mehr gibt, der vom Gesang ablenkt. Hinzu kamen nur noch einige wenige sich bewegende „Keyboard-Spektren“. Wooden Houses: Abgesehen von „Fade away“ war das der aufwendigste Titel; ich hatte beim Mix über 100 Signale auf dem Pult! Entstanden am Klavier mit Focus auf das Wechselspiel von Isgaard´s Brust- und Kopfstimme entwickelte sich das Stück im Studio immer weiter. Auf der Basis eines klaren Pop-Songs kamen „Ethno-Einflüsse“ (die Flöten, Taiko-Drums) und unkonventionell gespielte Gitarren im Refrain dazu (mal wieder ein großes Dankeschön an Jan Petersen), sowie eine große Anzahl kleiner Schnipsel, die hier und da auftauchen (Keyboards, Piano, Mouth-Percussion). Refugees: Ausgangspunkt war die Textidee. Wir sprachen viel über die Mechanismen in unserer heutigen Welt, die Abschottung der reichen Industrienationen von den armen Ländern und die daraus resultierende Flüchtlingsproblematik. Das Piano-Motiv im Eingang symbolisiert das ziellose Wandern der Flüchtlinge. Die schweren Drums sind Zeichen für die übermenschliche Last, die diese Menschen zu tragen haben. Dazwischen tauchen ganz zerbrechliche Passagen mit zartem Gesang von Isgaard auf, die, die Gedanken an Einzelschicksale darstellen. Nach dem 2.Refrain kommt der C-Teil, der für mich die dramatischste und intensivste Stelle auf dem ganzen Album ist: Sowohl Isgaard´s Gesang als auch der harte, knallige Drumgroove gepaart mit den Streichern sind gedacht wie ein Schrei in die Unendlichkeit. Refugees ist mein persönliches Lieblingsstück. YOU: Tja…“You“ ist ein Liebeslied, das letztendlich sagt: Du bist so dicht an mir dran, du kennst mich so gut, bitte rette mich vor mir selbst. Die Basis dieses Stückes läuft eigentlich in einer Art „Slow-Motion“ ab, später kommen sich langsam steigernde perkussive Instrumente dazu, die am Ende eine Art Netz von durchgängigen Rhythmen bilden. Als Isgaard das Playback hörte, sagte sie entgeistert: „Oh Gott, wer soll denn das Hören? Das ist das langsamste, was ich je gehört habe“! Heute ist „You“ ihr Lieblingssong. Diese Langsamkeit war auch eine große Herausforderungen für die Gesangsaufnahmen (Isgaard wurde von mir sehr „getriezt“ ), denn jede Kleinigkeit war wichtig, jeder Atmer, jede Länge, wann das Vibrato beginnt, usw. Und in den Refains musste durch Gesang und Streicher ein Licht aufgehen, wie ein Strahl, der den Raum durchquert. So einfach das Stück ist, so schwierig war die Aufnahmesession. Fade away: Das Intro/Outro entstand aus einer Improvisation die durch Mönchsgesänge einerseits und durch Cluster-Kompositionen andererseits beeinflusst war. Dann hatte Isgaard die Textidee für das friedliche Abschied-Nehmen von dieser Welt: So eine Art Entschwinden nach einem erfüllten Leben (aus der Retrospektive betrachtet). Daraus entstand die Grundmelodie, die sich durch das ganze Stück zieht und immer weiter wächst wie eine Quelle, die zum Bach, zum Fluss, zum Strom wird. Kleiner Gimmick: Diese Melodie ist fast genau die umgedrehte Refrain-Melodie (Refrain= Slowly I Fade Away….) um den Gegenpol von Leben und dem folgenden Abschied zu symbolisieren. Nach den Aufnahmen der Streicher und Chöre saß ich vor einem riesigen Berg Spuren – ich glaube, es waren über 150 Signale – und es folgte der aufwendigste Mix, den ich jemals gemacht habe. Knappe 3 Tage! Tja, und das war´s dann….aber die ersten Ideen für das 4.Album sind schon da!

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